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Bildende Kunst Malerei - Ausstellung

Gesprächsabend mit Fernando Keller und Ziona Schulthess-Wettstein

1967
Eine Ausstellung zur Basler Farnsburggruppe

1967<br />
Eine Ausstellung zur Basler Farnsburggruppe
Datum Am 10/10/2007 um 19h00
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Beschreibung
Carlo Aloe (*1939) Joseph Duvanel (1933-1987) Kurt Fahrner (1932-1977) Corsin Fontana (*1944) Werner Ritter (*1933) Jörg S. Schuldhess (1941-1992) Bruno Schwartz (1939-2004) Werner Thaler (1941) Walter Wegmüller (*1937)
mit Beiträgen von Walter Derungs und Jo Dunkel,
recherchiert von Martin Heldstab, Noëlle Pia und Markus Schwander.

Die Weihnachtsausstellung 1967 in der Kunsthalle Basel führte bei einer Gruppe zurückgewiesener Künstler zu heftigen Protesten. In der Folge organisierten sie gemeinsam mit Kollegen, die aus Solidarität auf ihre Präsentation in der Kunsthalle verzichteten, eine Ausstellung – eine eigentliche Gegenüberstellung – im damaligen Restaurant Farnsburg (heute Mc Donald’s) am Barfüsserplatz. Die Aktivitäten und der Lärm, der von der «Farnsburggruppe» rund um die Maler Jörg Schuldhess, Kurt Fahrner, Walter Wegmüller, Bruno Schwartz u.a. ausgingen, führten in Basel zu einer breit angelegten Debatte. Dabei standen die Objektivität der Jury, die zu einem grossen Teil aus Gewerbeschullehrern bestand, und die Förderung junger Künstler im Vordergrund. Schliesslich befasste sich auch das Parlament mit den angesprochenen Problemen. Die Gründung des Ausstellungsraumes Klingental 1974 ist eine der Folgen der damals ausgelösten Diskussion auf politischer Ebene.

Das Projekt «1967» begann mit unserem Interesse an diesem Gründungsmythos des Ausstellungsraums Klingental. In der Recherche und den vielen Gesprächen mit direkt Beteiligten, deren Angehörigen und anderen Zeitzeugen, verschob sich der Fokus: Uns faszinierte zunehmend die Dynamik, die sich unter den Künstlern Basels aus der Empfindung mangelnder Anerkennung und anderer Missstände ergab. Im Zentrum der Ausstellung stehen deshalb Fragen, welche die Künstlerexistenz und die Ambivalenz zwischen Freundschaft und Zweckgemeinschaft berühren. Nicht zuletzt beschäftigt uns der rein männlich dominierte Protest der Farnsburggruppe als Ausdruck seiner Zeit, wie er heute nur schwer vorstellbar wäre. Für die Beteiligten war es keine glorreiche Zeit, kein Neuanfang, an den sie sich heute mit Stolz erinnern. Für einige lösten die Proteste existenzielle Probleme aus. Nicht wenige indentifizieren sich im Rückblick nur ungern mit der Gruppe. Jörg Schuldhess und Kurt Fahrner – der eine überaus ehrgeizig, der andere überschäumend temperamentvoll – waren wohl Persönlichkeiten, deren Integrationsfähigkeit nicht von langer Dauer sein konnte.

Zentrales Anliegen der Ausstellung ist es, die Eigendynamik aufzuzeigen, die sich aus den teils naiven, teils nachvollziehbaren Beweggründen ergab – kurz: die Geschichte eines Protestes.


Neben dokumentarischem Material sind alle beteiligten Künstler mit Werken aus der Zeit um 1967 vertreten. Sowohl Carlo Aloe als auch Corsin Fontana arbeiten abstrakt. Während Aloe sich zu der Zeit eher am Tachismus orientiert, bezieht Fontana sich auf Natur: Seine Öllasuren auf nassem Grund sind vergrösserte Querschnitte, einer möglichen, aber nicht beobachteten Mikrostruktur. Hartnäckig, jedoch viel zu intelligent für ein simples Täter/Mann-Opfer/Frau-Schema, exponiert Kurt Fahrner in seiner Kunst die Frau in verschiedenen Rollen. Beispielhaft auch für andere Mitglieder der Gruppe verteidigte er seine Werke, die während des Kalten Krieges in den Schatten des ungegenständlichen und unpolitischen Schaffens gerieten. Fahrners offensive Selbsthilfe machte ihn zu einem Pionier des Happenings in der Schweiz.

Jörg Schuldhess’, Bruno Schwartz und Walter Wegmüllers Schaffen lässt sich dem Symbolismus zuordnen. Gemeinsam ist ihnen zum einen die ornamentale, kleinteilige Ausdrucksform, zum anderen das Ziel, den künstlerischen «Bewusstwerdungsprozess» angesichts des Weltgeschehens darzustellen. Werner Ritters Arbeiten geben oft Sinnbilder des technologischen Fortschritts und der Konsumgesellschaft in der Manier der Hyper- oder Fotorealisten wider. Die Verankerung in der Realität wird jedoch durch mehrfach Spiegelungen und dem damit einhergehenden Verlust des Orientierungspunktes gebrochen. Werner Thaler und Joseph Duvanel sind die klassischsten Maler der Gruppe. Während Thalers Arbeit um die Landschaft und den Innenraum kreist, weckt Duvanel in seinem Universum längst tot geglaubte Werte und Mythen auf, die er manchmal geradezu gespenstisch plastisch belebt.

Ergänzt werden die Werke mit verschiedenen Kunstfilmen und Dokumentationen von Interventionen im öffentlichen Raum, die in der Zeit stattfanden, ausserhalb des unmittelbaren Zusammenhangs der Gruppe. Schon vor den Protesten rund um die Weihnachtsausstellung rückten in Basel im Jahr 1967 kulturpolitische Themen in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Der überraschende Tod des Konservators der Basler Kunsthalle Arnold Rüdlinger, die Abstimmung über den Ankauf von zwei Picasso-Bildern der Staehelin-Sammlung, die Publikation der Wettbewerbsergebnisse und Ankäufe des Staatlichen Kunstkredits tragen dazu bei. Der Journalist Felix Feigenwinter behandelt die Ereignisse rund um die Farnsburggruppe im «Doppelstab» in einer Serie von acht Beiträgen unter dem Titel „Basel nur Museumsstadt?“ Er fragt: «Ist Basel jedoch nur ein ‚toter Museumsort’ oder auch eine lebendige Kunststadt, in der wesentliche Beiträge zum zeitgenössischen Kunstschaffen entstehen bzw. entstehen könnten?» (Nr. 103/4, 29. 12. 1967) Derweil eskaliert in der Weihnachtsaustellung der Streit. Schuldhess ohrfeigt das Jurymitglied Gustav Stettler im Kunsthallenrestaurant. Nach dem Ausschluss der beiden Maler Jörg Schulthess und Kurt Fahrner unter lauten Protesten, solidarisieren sich Walter Wegmüller und Werner Thaler.

Wegmüller entfernt sein Bild aus der Kunsthalle, Thaler übermalt das Seine in Schwarz. Sie beschliessen im Restaurant Farnsburg zusammen mit Carlo Aloe, Corsin Fontana, Bruno Schwarz und Joseph Duvanel eine Gegenausstellung durchzuführen. Die Präsentation im Dezember 1967 wird von mehreren Hundert Leuten besucht. Die beteiligten Maler wissen das grosse Interesse zu nutzen: In einer Eingabe an den grossen Rat machen sie auf ihre Lage und ihre Begehren aufmerksam und sammeln unter den Besuchern an die 400 Unterschriften. Die Künstler fordern Kabinette für junge, experimentelle Malerei, die zu den bestehenden, angeblich erstarrten Institutionen (Kunsthalle, Kunstmuseum) eröffnet werden sollen und wollen, dass der Kunstkredit auch schwierige und unpopuläre Projekte finanziert. Neben Kulturpolitischem werden auch rein materielle Wünsche laut, die Erhöhung von Stipendien etwa oder die Finanzierung von Malmaterial für ein ganzes Jahr. Die Gruppe bleibt nicht unerhört. LdU-Grossrat Werner Muster fordert im Februar 1968 in einem Anzug im Grossen Rat, für Kunstausstellungen geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.



In Anspielung an Gustav Stettler eröffnet die Farnsburggrupppe anfangs 1968 an der Unteren Rebgasse die Galerie Gustav. Während vier Monaten inszenieren sie eigene Werke in Gegenüberstellung mit anderen Positionen. Ausserdem schreibt die Gruppe ein Stipendium für in Basel und Umgebung wohnhafte junge Künstler aus. Der Wettbewerb versteht sich teilweise als instruktiver Fingerzeig an die Adresse des Kunstvereins. Nach einer zweiten Ausstellung in der «Farnsburg» in leicht modifizierter Besetzung anfangs Dezember 1968 tritt die Farnsburggruppe nie mehr unter diesem Namen auf.
Ein aktualisierter Blick auf die Ursprünge des Ausstellungsraumes Klingental wird Erkenntnisse auch für die künftige Programmierung des Ausstellungsraumes gewinnen – gerade über den Umgang mit wenig anerkannten künstlerischen Positionen. Aus diesem Anlass enstehen auf Einladung des Ausstellungsraums auch zwei neue künstlerische Arbeiten: Am Eröffnungstag beschäftigt sich Jo Dunkel in der Performance «Dead Funny» mit dem Clown als Anarchisten und den Grenzen der Unterhaltung. Sein Auftritt übersetzt Themen der Ausstellung, wie etwa das Ringen um Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit oder die Angst vor dem Scheitern.
Derweil fotografiert Walter Derungs die Räumlichkeiten des heutigen Mc Donald's am Barfüsserplatz, wo sich das ehemalige Restaurant «Farnsburg» befand, der wichtigste Treffpunkt der Künstler aus der Generation der «Farnsburggruppe». Mit der Aufnahme des hellen beinahe klinischen Raumes im Gegensatz zur dunklen Spelunke, die es einmal war, führt er uns die Unwiederbringlichkeit der Vergangenheit und den Wandel der Zeit drastisch vor Augen.
Für ihre Unterstützung herzlichen Dank an den Kanton Basel-Stadt, die Bank Dreyfuss, national suisse und die Christoph Merian Stiftung.

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